Kohärente Laborpraktika in der Lehramtsausbildung für gewerblich-technische Fachrichtungen
Projektleitung
Prof. Dr. Carolin Frank
Projektmitarbeiter
Jonas Leschke
Eine Herausforderung der Lehramtsstudiengänge für gewerblich-technische berufliche Fachrichtungen stellen die ingenieurwissenschaftlichen Fachstudieninhalte dar (vgl. Jenewein, 2000; Nickolaus, 2010; Becker, Spöttl & Windelband, 2017). Die Lehramtsstudierenden besuchen die Vorlesungen der ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge, wie beispielsweise aus dem grundständigen Maschinenbaustudium. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Lehrkraft an einem Berufskolleg, müssen sie die Unterrichtsinhalte allerdings primär aus einer berufs- und arbeitswissenschaftlichen Perspektive unterrichten. Um diesen Transfer bereits im Studium zu unterstützen, bieten sich die in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen tradierten Laborpraktika an, da in diesen arbeitswissenschaftliche Handlungen von den Studierenden erlernt werden können. Beispielsweise kann die Güte von Schweißnähten in der Vorlesung behandelt und in einem zugehörigen Laborpraktikum eine Schweißnaht praktisch erstellt und auf ihre Güte untersucht werden. Die in dem fachwissenschaftlichen Modul erbrachten exemplarischen Transferleistungen, müssen als Teil des fachdidaktischen Wissens reflektiert, expliziert und verallgemeinert werden.
Unter Berücksichtigung vorliegender Forschungsergebnisse zu Laborpraktika, auch aus den Bezugsdisziplinen (u. a. Bruchmüller & Haug, 2001; Rehfeldt, 2017; Roth et al., 2014), wird in der Didaktik der Technik ein adaptives Konzept für Laborpraktika in ingenieurwissenschaftlichen (Lehramts-)Studiengängen entwickelt, in einem fachwissenschaftlichen Modul umgesetzt und empirisch evaluiert. Das Modul ist gleichermaßen Bestandteil des Bachelorstudiums Maschinenbau und des Teilstudiengangs für die große berufliche Fachrichtung „Maschinenbautechnik“ im Master of Education für Berufskollegs. Das fachwissenschaftliche Modul, und damit auch die Inhalte des Laborpraktikums, wird in einem fachdidaktischen Modul aufgegriffen und hinsichtlich seiner schulpraktischen Relevanz und Übertragbarkeit der ingenieurwissenschaftlichen Inhalte auf die berufswissenschaftliche Ebene explizit thematisiert.
Die große berufliche Fachrichtung „Maschinenbautechnik“ bietet sich für die pilotierende Umsetzung des Konzepts an, da sie die gewerblich-technische berufliche Fachrichtung der Lehramtsausbildung mit den meisten Studierenden an der BUW und auch häufig an anderen Universitäten mit einer gewerblich-technischen Lehramtsausbildung für Berufskollegs darstellt.
Als Teil des Labor-Konzepts ist vorgesehen, unterschiedliche fachwissenschaftliche Inhalte des Ingenieurstudiums und der begleitenden Vorlesung zu verzahnen und projektbasiert bei der Entwicklung und Herstellung eines realen Produktes in einem FabLab anzuwenden, zu erweitern und zu reflektieren. Die projektbasierte Ausrichtung erlaubt außerdem eine inhaltliche Flexibilität, sodass aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen in das Studium integriert werden können. Die quantitative Evaluationsstudie erfolgt längsschnittlich zu verschiedenen Messzeitpunkten im Semesterverlauf in einem Pre- und Postdesign zum Fach- und fachdidaktischen Wissen der Studierenden. Als Vergleichsgruppe wird eine Kohorte Studierender derselben Studiengänge befragt, die das Modul mit einem bereits überarbeiteten, aber dennoch weitestgehend klassischen Laborpraktikum besuchen und eine Gelegenheitsstichprobe eines vorherigen Semesters darstellen.
Mit dem zu entwickelnden Praktikumsmodell wird einerseits das Ziel verfolgt, Wissensbestände in Ingenieurstudiengängen stärker miteinander zu verzahnen und flexibler nutzbar zu machen (siehe auch Kottkamp, 2009). Anderseits soll den Lehramtsstudierenden ermöglicht werden, die ingenieurwissenschaftliche, fachwissenschaftliche Ausbildung (Jenewein, 2000) auf eine berufswissenschaftliche (Wissens-)Ebene zu überführen. Der Transfer soll zudem das specialized/pedagogical content knowledge (Shulman, 1987) der Lehramtsstudierenden erfahrbar machen, wie es bspw. auch von Terkowsky et al. (2018) gefordert wird und wahrgenommenen Diskontinuitäten zwischen den einzelnen Ausbildungsphasen entgegenwirken. Durch den Abbau der Diskontinuitätswahrnehmung bei den Studierenden soll die vertikale Kohärenzwahrnehmung (Hellmann, 2018) auch innerhalb des Studienverlaufs gestärkt werden. Nicht zuletzt soll das fachdidaktische und fachwissenschaftliche Studium der Lehramtsstudierenden durch Präsentations- und Peerteaching-Phasen sowie das thematisch anknüpfende fachdidaktische Seminar kohärenter gestaltet werden.
Zusammengefasst soll durch das innovative Laborpraktikumskonzept einerseits eine kohärente fachwissenschaftliche Ausbildung der Lehramtsstudierenden sowie der fachwissenschaftlichen Maschinenbaustudierenden im Studienverlauf und andererseits die Kohärenz zwischen dem ingenieurwissenschaftlichen Fachstudium und der zugehörigen Fachdidaktik erhöhen.
Literatur
Becker, M., Spöttl, G. & Windelband, L. (2017). Berufliche Fachrichtungen in Lehre und Wissenschaft (Bildung und Arbeitswelt). In M. Becker, C. Dittmann, J. Gillen, S. Hiestand & R. Meyer (Hrsg.), Einheit und Differenz in den gewerblich-technischen Wissenschaften: Berufspädagogik, Fachdidaktiken und Fachwissenschaften (S. 31–47). Berlin, Münster: LIT Verlag.
Bruchmüller, H.-G. & Haug, A. (2001). Labordidaktik für Hochschulen: eine Hinführung zum praxisorientierten Projekt-Labor (Schriftenreihe Report / Lenkungsausschuss der Studienkommission für Hochschuldidaktik an den Fachhochschulen in Baden-Württemberg). Alsbach/Bergstraße: Leuchtturm-Verl.
Hellmann, K. (2018). Kohärenz in der Lehrerbildung – Theoretische Konzeptionalisierung. In K. Hellmann, J. Kreutz, M. Schwichow & K. Zaki (Hrsg.), Kohärenz in der Lehrerbildung: Theorien, Modelle und empirische Befunde (1. Auflage., S. 9–30). Wiesbaden: Springer VS.
Jenewein, K. (2000). Didaktik der Technik in der Lehrerausbildung. In R. Bader, H. Sanfleber & Gesellschaft zur Förderung Arbeitsorientierter Forschung und Bildung (Hrsg.), Didaktik der Technik zwischen Generalisierung und Spezialisierung (S. 157–185). Frankfurt am Main: Verl. der G.A.F.B.
Kottkamp, E. (2009). Zukünftige Herausforderungen an die Ingenieurausbildung. In M. Nagl, H.-J. Bargstädt, M. Hoffmann & N. Müller (Hrsg.), Zukunft Ingenieurwissenschaften - Zukunft Deutschland: Beiträge einer 4ING-Fachkonferenz und der ersten Gemeinsamen Plenarversammlung der 4ING-Fakultätentage am 14. und 15.07.2008 an der RWTH Aachen (S. 93–110). Berlin: Springer.
Nickolaus, R. (2010). Berufliche Fachrichtungen und Bezugswissenschaftsprobleme. In J.-P. Pahl & V. Herkner (Hrsg.), Handbuch berufliche Fachrichtungen (2., unveränderte Auflage., S. 123–133). Bielefeld: wbv.
Rehfeldt, D. (2017). Erfassung der Lehrqualität naturwissenschaftlicher Experimentalpraktika. Berlin: Logos Verlag.
Roth, T., Schwingel, A., Greß, C., Hein, U., Kirsch, R. & Appel, J. (2014). Vorstellung eines Blended-Learning-Lab-Konzeptes für die Grundlagenlabore in MINT-Fächern. PhyDid B - Didaktik der Physik - Beiträge zur DPG-Frühjahrstagung.
Shulman, L. (1987). Knowledge and Teaching: Foundations of the New Reform. Harvard Educational Review, 57(1), 1–23.
Terkowsky, C., Frye, S., Haertel, T., May, D., Wilkesmann, U. & Jahnke, I. (2018). Technik- und Ingenieurdidaktik in der hochschulischen Bildung. In B. Zinn, R. Tenberg & D. Pittich (Hrsg.), Technikdidaktik: Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme (S. 87–97). Stuttgart: Franz Steiner Verlag.